Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung auf der Bezirkekonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | 4. GJ B Positionen für das Superwahljahr |
Antragsteller*in: | Annka Esser, Isabella Hoyer, Robin Miller, Justus Zimmermann |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 23.08.2020, 10:25 |
A14: Wir brauchen erneuerbare Energie, statt klimaschädliche Steinzeittechnologie!
Antragstext
Damit Berlin seinen Teil zu den in Paris vereinbarten Klimazielen beitragen
kann, ist eine schnelle und drastische Reduzierung der Treibhausgasemissionen
zwingend notwendig. Der Bau- und Wohnsektor ist laut Berliner Energietisch für
rund die Hälfte der Berliner Treibhausemissionen verantwortlich. Daher spielt
dieser Sektor für die 1,5° Begrenzung der Klimaerwärmung und der dafür
notwendigen Klimaneutralität bis spätestens 2035, eine zentrale Rolle. Die
Emissionen entstehen zu einem großen Teil durch die Versorgung der Gebäude mit
Wärme und Strom. Ein weiterer Teil der Emissionen entsteht zusätzlich bereits
vor dem Erstbezug: durch Bau und Herstellung der Baustoffe, beispielsweise
Zement, als auch am Ende der Gebäudelebensdauer durch den Abriss der Gebäude.
Dieser Energieverbrauch wird aber bisher nicht in die Energiebilanz von Gebäuden
mit einberechnet.
In Berlin wird ein beachtlicher Teil der Gebäude durch zentrale Fernwärmenetze
versorgt, welche ihre Energie aktuell durch Verbrennung fossiler Energieträger,
wie fossile Kohle, Gas, Öl oder Müll beziehen. Damit ist die Wärmeversorgung,
besonders die Fernwärmeversorgung, eine der wesentlichen Stellschrauben, die
Berliner Energieversorgung klimaneutral zu gestalten.
Als GRÜNE JUGEND Berlin fordern wir deshalb die schnellst mögliche Wärmewende
und werden dafür auf der Straße und bei Bündnis 90/ DIE GRÜNEN streiten:
Es geht nicht darum, was wir umsetzen können, sondern was wir müssen um unsere
Lebensgrundlage zu erhalten!
Wir wollen eine Umkehr der Diskussion erreichen! Der Ausgangspunkt aller
Entscheidungen und Analysen soll nicht der Status quo sein, sondern eine
klimagerechte Welt und damit ein klimaneutrales Berlin möglichst bis 2030. Wenn
bestimmte Maßnahmen, die für Klimagerechtigkeit zwingend notwendig sind, aus
marktwirtschaftlichen oder finanziellen Gründen nicht umgesetzt werden können,
müssen wir das System verändern und nicht die Umsetzung von Maßnahmen, für
grundlegend notwendige Ziele, scheitern lassen.
Wir fordern die Fernwärmenetze auf ein Ultra-niedrigtemperatur-Fernwärmenetze
umzubauen. Es dürfen keine neuen Gaskraftwerke gebaut werden, um die
Fernwärmenetze mit Energie versorgen. Spätestens ab 2035 dürfen keine
Treibhausgasemissionen im Bau- und Wärmesektor in Berlin emittiert werden. Der
Gebäudebestand wird schnell und flächendeckend energetisch und warmmietenneutral
saniert.
Wärmewende im Fernwärmenetz!
Aktuell laufen die Berliner Fernwärmenetze hauptsächlich auf einer sehr hohen
Vorlauftemperatur von knapp unter 100°C (Fernwärmenetz 1. und 2. Generation).
Dadurch ist es kaum möglich, Wärme aus erneuerbaren Energiequellen in die Netze
einzuspeisen, da mit diesen nicht so hohe Vorlauftemperaturen sinnvoll erreicht
werden können.
Aus diesem Grund ist es zwingend notwendig bis 2030 die kompletten
Fernwärmenetze auf Ultraniedrigtemperatur-Fernwärmenetze, also der technisch 4.
Generation von Fernwärmenetzen, umzubauen. Dies wird beispielsweise bereits
flächendeckend in Dänemark eingesetzt. Jede Stadt braucht eine kommunale
Wärmeplanung, durch die Bedarfe und Verfügbarkeiten miteinander in Einklang
gebracht werden. Es müssen endlich sogenannte Wärmekataster erstellt werden, in
denen verschiedenste dezentrale Wärmequellen gesammelt werden. Durch diese
niedrigere Temperatur der Fernwärme können viele neue und verschiedene
erneuerbare Wärmequellen erschlossen und dezentral in die Netze eingespeist
werden. Das sind zum Beispiel die Nutzung von Abwärme von Supermärkten,
Industrieprozesse, Kühlhallen, Bürogebäuden, Serveranlagen und U-
Bahnschachtabwärme. Zudem gibt es ein breites Potenzial für Geothermie, Luft-,
Erdwärmekollektor- und Grundwasserwärmepumpen, sowie Solarthermie auf Dächern,
großen Fassadenflächen,und nahe gelegenen freien Flächen um Berlin. Dieser
umfangreiche Mix aus Energiequellen muss im Einklang mit saisonalen Wärme-,
Kälte- und Energiespeichern dynamisch genutzt werden. Dafür fordern wir einen
dezentralen und massiven Ausbau an großen und kleinen Energiespeichern. So
sollen in allen Kiezen und Quartieren Berlins chemische, thermodynamische,
potentielle oder kinetischer Energiespiecher für kurze oder lange Speicherdauer
das Gesamtkonzept unterstützen.
Zudem sollen weitere Kleinwindkraftwerke an und auf neuen Gebäuden in Berlin,
sowie Windkraftwerke in Brandenburg gebaut werden und in dieses
sektorenübergreifende Gesamtkonzept integriert werden.
Um den Ausbau dieser Methoden weiter voran zu treiben, fordern wir
flächendeckende Förderungsprogramme, wie einen Risikofond. Die gesetzliche
Grundlage soll ein “Erneuerbare-Wärme-Gesetz” bilden, welches ein
Diskriminierungsverbot für Dritteinspeisung und eine maximale CO2-Quote
beinhaltet, welche linear bis spätestens 2030 auf null gesenkt wird. Für uns ist
klar: Erzeuger*innen, Speicher, vernetzte Quartiere, Energetische Sanierung und
Verbraucher*innen müssen die Energiewende gemeinsam schaffen. Deswegen muss
mittelfristig der gesamte Energieversorgungssektor rekomunalisiert werden und
Pfadabhängigkeiten abgeschaffen werden!
Die Nutzung von fossilen Rohstoffen zur Erzeugung von Wärme unter anderem in
Einfamilienhaushalten ist im Jahr 2020 nicht mehr zeitgemäß. Die GRÜNE JUGEND
Berlin fordert daher ein generelles Verbot von Öl- und Gaskesselheizungen ab
2021 und deren dynamischen Umbau zu effizienten und erneuerbare Wärmequellen bis
2025. In einem großen Beratungs- und Förderungsprogramm, welches sich besonders
an FIT* Personen, nicht-Akademiker*innen und Menschen, deren erste Sprache nicht
deutsch ist, richtet, sollen bis 2025 die letzten ineffizienten Einzellösungen,
beispielsweise offene Kamine, Öl- und Gaskesselheizungen, außer Betrieb genommen
werden. Dafür soll auf Bundesebene eine entsprechenede Förderungsmaßnahme, wie
z.B. eine Abwrackprämie geschaffen werden.
Gaskraftausstieg für die Wärmewende:
Berlin hat 2017 zwar den Kohleausstieg beschlossen, jedoch soll über 60% der
Energie künftig durch ein neues Gaskraftwerk von Vattenfall kompensiert werden.
Dieses Gaskraftwerk würde auch eine wichtige Rolle bei der Versorgung der
Fernwärmenetze und damit bei der Energieversorgung vieler Berliner Haushalte
spielen. Dabei ist Erdgas nicht unbedingt weniger klimaschädlich, als Braun-
oder Steinkohle. Denn durch die Verbrennung von Erdgas werden zwar weniger CO2
Emmissionen produziert, jedoch wird auf dem ganzen Förderungsweg immer wieder
Methan frei, was um ein vielfaches klimaschädlicher als CO2 ist.
Vattenfall verspricht dem Berliner Senat deswegen, das Kraftwerk irgendwann
vollständig mit Grünem Wasserstoff zu versorgen, damit Berlin irgendwann
klimaneutral werden kann. Grüner Wasserstoff ist durch erneuerbaren Strom
produzierter Wasserstoff, welcher in Gaskraftwerken für die Erzeugung von Wärme
und Strom, fast wie Erdgas verwendet werden kann. Dieses Versprechen ist jedoch
realistisch nicht zu halten, da es nicht genug grünes Gas geben wird, um alle
aktuellen und neu geplanten Kraftwerke zu versorgen. Zu dem ist die Beschaffung
ungeklärt, denn der Ausbau erneuerbaren Energien läuft in Deutschland viel zu
schleppend voran als das der gesamte Bedarf gedeckt werden kann.
Die Erwartungshaltung, dass Länder im globale Süden im speziellen
nordafrikanische Länder wie Marokko uns ausreichend mit grünem Wasserstoff
versorgen, damit wir unsere Energieversorgung und Lebensweise nicht ändern
müssen, ist anmassend und reproduziert ein rassistisches Weltbild.
Dazu kommt, dass es andere Bereiche wie die Stahlproduktion gibt, die auf die
höheren Temperaturen des grünen Wasserstoff angewiesen sind. Grüner Wasserstoff
soll nur hier oder zur Speicherung von überschüssiger erneuerbarer Energie
genutzt werden, wo der Einsatz sinnvoll ist!
Vattenfall will in Zukunft grünen Wasserstoff verbrennen, nicht weil es die
einzige Möglichkeit einer klimaneutralen Wärmeversorgung für Berlin ist, sondern
weil der Großkonzern ein Interesse an einer fortlaufenden zentralen
Wärmeversorgung hat, mit dem das Unternehmen viel Geld verdienen kann.
Aus einer ökologischen, sowie einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive ist
eine zentrale und klimaneutrale Wärmeversorgung, völlig unsinnig. Zudem wird der
dringend notwendige Umbau der Fernwärmenetze verzögert und dezentrale Methoden,
wie Wärmepumpen, Geothermie, Prozess- oder Abwärme werden blockiert.
Deswegen fordern wir einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern in der
Wärmeversorgung Berlins. Wir fordern die Landesregierung auf, alle Verhandlungen
über ein weiteres Gaskraftwerk sofort zu stoppen! Sondern konsequente
Investitionen in dezentrale und ökologische Alternativen.
Energiebedarf an die Wärmewende anpassen:
Da durch erneuerbare Energiequellen der aktuelle Energiebedarf nicht gedeckt
werden kann, muss der Gebäudesektor deutlich energieeffizienter werden. Deswegen
müssen wir in den kommenden Jahren den Gebäudebestand flächendeckend energetisch
sanieren. Dafür ist eine Sanierungsquote von unter 1% pro Jahr, wie es sie
aktuell gibt, nicht ausreichend! Wir fordern eine Sanierungsquote von mindestens
10%, damit bis 2030 der gesamte Gebäudebestand energetisch saniert ist. Dabei
muss das Ziel sein, dass der Energiebedarf deutlich verringert wird und dabei
der Fernwärmeanschluss für ein Niedertemperatur Fernwärmenetz vorbereitet wird.
Alle Häuser, die ab 2021 saniert werden, müssen im Anschluss mindestens dem
passiv-Standard entsprechen. Da dies nicht immer möglich ist, müssen ab 2030
alle Quartiere in Berlin mindestens passiv sein. Die energetischen Sanierungen
sollen möglichst warmmietenneutral sein. Das heißt, die Energieeinsparungen
durch die Sanierung sind so hoch, dass sie die Mietsteigerung durch die
Modernisierungsumlage ausgleichen. Parallel dazu fordern wir die Abschaffung von
§559 im Bau Gesetzbuch, welcher regelt, dass durch eine Modernisierung die Miete
dauerhaft angehoben werden darf, selbst wenn die Modernisierungsmaßnahme schon
vollständig refinanziert wurde. Statt §559 BauGB setzen wir uns für das
sogenannte Drittelmodell ein, welches zur Folge hat, dass die Finanzierung zu
gleichen Teilen von Öffentlicher Hand, Vermieter*innen und Mieter*innen
übernommen wird, bis die Kosten refinanziert sind. Die Höhe und der Zeitraum für
diesen Nebenkostenposten richtet sich an den eingesparten Energiekosten und muss
für die Mieter*innen warmmietenneutral sein. Anschließend wird dieser
Kostenanteil aus den Nebenkosten für die Mieter*innen entfernt und somit sinkt
auch die Warmmiete. Modernisierungsmaßnahmen dürfen nur auf den/die Mieter*in
umgelegt werden, wenn dadurch nachweisbar eine Energieeinsparung erzielt wird.
In der Berechnung müssen die Klimafolgen der Modernisierung selber (Baustoffe
etc.) mit einberechnet werden. Bevor die Maßnahme auf die Miete umgelegt werden
kann, müssen alle möglichen Förderungen vollständig ausgeschöpft werden.
Bisher erfolgt eine energetische Bewertung von Gebäuden nur dem Energieverbrauch
des fertigen Gebäudes. Dies berücksichtigt jedoch nur einen geringen Teil der
Treibhausgasemissionen, denn der gesamte Gebäudelebenszyklus beinhaltet den
Energieverbrauch der Planung, dem Bau und dem Abriss. Besonders letzteres ist
für einen sehr hohen Anteil der Treibhausgase verantwortlich. Deswegen fordern
wir die ökologische Berechnung des gesamten Gebäudelebenszyklus der Gebäude.
Dafür muss das Gebäudeenergiengesetz geändert werden. Für eine solche Änderung
soll sich Berlin mit einer Bundesratsinitiative einsetzen.
Viele Wohngebäude in Berlin wurden vor sehr langer Zeit gebaut. Durch neue
Technologien, lange Erfahrung und der guten Ausbildung von Ingenieur*innen und
Architekt*innen sollten heutige Gebäude diesen in ihrer Lebenszeit deutlich
überlegen sein. Gebäude sollten prinzipiell für eine Lebensdauer von mehreren
hundert Jahren konzipiert werden. Wir fordern eine generelle Bevorzugung und
Förderung der Gebäudesanierung vor dem Abriss und Neubau.
Sogenannte "Rebound-Effekte" müssen vermieden werden: CO2-Einsparungen durch
eine energetische Sanierung dürfen z.B. nicht durch eine größere Wohnfläche
zunichte gemacht werden.
Generell muss ein Konzept erarbeitet werden, den Flächenverbrauch und damit den
Energieverbrauch pro Person zu senken. Das Land soll zum einen ein
Förderungsprogramm zum Wohnungstausch wieder aufnehmen. Außerdem sollen Projekte
mit flexiblen Grundrissen gefördert werden.
Die öffentliche Hand selbst soll bei ihren Neubauprojekten sowie
Gebäudesanierungen nur klimapositive Materialien einsetzen. Außerdem fordern wir
den Senat dazu auf, alle Neubauprojekte nur zu genehmigen, wenn sie ein
klimaneutrales Gesamtkonzept vorweisen und das nachhaltigste Projekt, bei
Genehmigungsverfahren bevorzugt zu behandeln.
Dieses Sanierungsaufgebot zu schaffen ist auch deshalb eine große
Herausforderung, da es in Handwerksberufen, die Klimaanpassungen durchführen,
ein Fachkräftemangel besteht. Es braucht eine Ausbildungsstrategie! Zum einen
fordern wir eine Anwerbekampagne zusammen mit der Handelskammer. Außerdem setzen
wir uns für die Schaffung eines öffentlichen Ausbildungsunternehmen ein. Hier
sollen Menschen ausgebildet werden, die gerade mit der Sanierung von
öffentlichen Gebäuden beauftragt werden. Zusätzlich soll es ein Programm für
Menschen ohne Abschluss geben, dass sie auf die Anforderungen bei einer
Ausbildung in diesem Bereich vorbereitet und eine Ausbildungsgarantie
ausspricht.
Gebäude, die heute gebaut werden, müssen zur Klimaneutralität beitragen!
Außerdem setzen wir uns für ein Verbot von klimaschädlichen Bau- und Dämmstoffen
ein und fordern, dass ab 2025 nur noch ökologische Stoffe wie z.B. Holz, Kork,
Hanf oder Stroh verwendet werden. Es sollen Fördermittel zur verfügung gestellt
werden, welche die Benutzung von ökologische Bau- und Dämmstoffen attraktiver
machen.
Damit Berlin seine Klimaziele einhalten kann, ist es zwingend notwendig, dass
neu gebaute Gebäude hohen Energiestandards entsprechen. Deswegen fordern wir,
dass ab sofort nur noch Passivhäuser und ab 2030 nur noch Plusenergiehäuser
genehmigt werden.
An dieser Stelle sollen das Land Berlin und die Bezirke mit gutem Beispiel
vorangehen und ihren gesamten Gebäudebestand bis 2025 energetisch saniert haben.
Außerdem müssen alle neuen Bauprojekte des Landes und der Bezirke ab 2021
mindestens dem Passivhausstandard entsprechen.
Wir wollen neue und alte Gebäude in Quartieren vernetzen und die Energie- und
Wärmeversorgung effizienter und nachhaltiger gestalten. Indem innovative
Quartierslösungen gefördert und an die umgebende Infrastruktur angebunden wird,
können Insellösungen verbunden und saisonale Effekte genutzt werden.
Begründung
Erfolgt mündlich und stellenweise im Antrag.
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