Veranstaltung: | Erste ordentliche Landesmitgliederversammlung der GRÜNEN JUGEND Berlin 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 12 Inhaltliche Anträge |
Antragsteller*in: | Fachforum für Wirtschaft, Soziales und Gesundheit (dort beschlossen am: 24.02.2023) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 25.02.2023, 01:06 |
A12: 248 Euro entfernt von einem würdevollen Leben
Antragstext
Das Bürgergeld reicht nicht! Wir fordern statt des beschlossenen Regelsatzes von
502 Euro einen armutsfesten Regelsatz von 750 Euro je Single sowie die Übernahme
der Stromkosten und der Kosten der sogenannten “weißen Ware”, also aller
notwendigen Haushaltsgeräte. Zudem sollen einmalige Bedarfe nach anfallender
Höhe als Sonderbedarfe übernommen werden.
Ursprünglich sollte das Bürgergeldgesetz ein würdevolles Leben, mehr Respekt und
Leistungsgerechtigkeit ermöglichen. Bundesarbeitsminister Heil spricht sogar von
der „größten Sozialstaatsreform seit 20 Jahren“. Die Realität hätte nicht weiter
verfehlt werden können. Hierzu führte zum einen der fehlende Mut der
Ampelkoalition von Anfang an, eine grundlegende Sozialstaatsreform anzugehen.
Verstärkt wurde der Mangel an Ambition nochmals durch die Blockadepolitik der
Union. Diese wurde im Vermittlungsausschuss zudem durch die FDP unterstützt und
war letztendlich leider in weiten Teilen erfolgreich. So wurde das
Vertrauensjahr, als einer der zentralen Aspekte der Reform, ersatzlos gestrichen
und das Schonvermögen um ein Drittel auf 40.000€ gekürzt. Wir äußern entschieden
Kritik an dieser Entscheidung.
Diese verpasste Chance hat zur Folge, dass auch das Bürgergeld als
Nachfolgeregelung von Hartz IV keine reale soziale Teilhabe für Menschen
ermöglicht, die längerfristig ohne Arbeit sind. Es verwaltet vielmehr weiterhin
nur Armut. In der Praxis bedeutet dies, dass Menschen von sozialer, kultureller
und folglich auch von politischer Teilhabe ausgeschlossen werden. Das Bürgergeld
ist Armut per Gesetz, egal wie man es dreht und wendet, ob es Hartz IV,
Arbeitslosengeld II oder Bürgergeld heißt.
Nur ein ausgesprochen kleiner Prozentsatz der Bevölkerung, nämlich 6%, geht
davon aus, dass ausgewogene und gesunde Ernährung mit dem entsprechenden
Regelsatz möglich ist. Schon immer war es schwierig mit den geringen
finanziellen Mitteln, die im Arbeitslosengeld II für Ernährung vorgesehen waren,
eine gesunde Ernährung zu finanzieren. Aber im vergangenen Jahr hat sich die
Situation durch einen deutlichen Preisanstieg bei gesunden Lebensmitteln noch
einmal deutlich verschärft. So sind die Preise für Gemüse durchschnittlich um
10,7% gestiegen, bei Gurken sogar um 26,2% und bei Tomaten 16,9%. Nicht nur das
zeigt: Die Berechnungslogik muss geändert werden. Die Bedarfshöhe muss u.a. auch
die erwartete Inflation und die erwarteten Lohnabschlüsse mit einbeziehen.
Die Sanktionen stellen ein weiteres Problem des Gesetzes dar. Die Bestrafung als
Motivation zu sehen, zeichnet ein Menschenbild, das die GJ Berlin nicht teilt.
Sanktionen verfehlen darüber hinaus ihr Ziel, abschreckend zu wirken. Dies
belegt eine Langzeitstudie von Sanktionsfrei e.V., die den Effekt von Hartz-IV-
Sanktionen auf 585 Teilnehmende untersucht hat.
Auch das Bundesverfassungsgericht erklärt Sanktionen für teilweise
verfassungswidrig. Eine empirische Grundlage für die Wirkung von Sanktionen
liegt außerdem nicht vor. Wie perfide sie sind, zeigt sich vor allem daran, dass
sie die Kürzung des gesetzlich festgelegten Existenzminimums fordern. Dieses
stellt den Betrag dar, der für ein Leben in Würde notwendig ist. Eine Kürzung
würde damit also bewusst ein würdevolles Leben verhindern. Daher lehnen wir
Sanktionen grundsätzlich und vollständig ab.
Dennoch gilt es festzuhalten, dass einige Punkte des Bürgergeldgesetzes bereits
einen Schritt in die richtige Richtung darstellen, so beispielsweise die
Freibeträge für Studierende und Schüler*innen, finanzielle Anreize für Bildung
und das Jahr Karenzzeit. Jedoch stehen wir nach wie vor am Anfang eines langen
Weges, der aber unbedingt und zeitnah gegangen werden muss. Aus diesem Grund
gilt es, das Bürgergeld schnellstmöglich weiterzuentwickeln.
Begründung
Die Begründung erfolgt mündlich.