Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung auf der Bezirkekonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | 4. GJ B Positionen für das Superwahljahr |
Antragsteller*in: | Justus Zimmermann, Jun Chen (GJ Berlin) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 23.08.2020, 11:11 |
A28: Landeseigene Wohnungsunternehmen stärken!
Antragstext
In Berlin gab es im Jahr 2018 insgesamt circa 2.000.000 Wohnungen. Davon waren
1.650.000 Mietwohnbestand. Davon sind fast 200.000 Wohnungen sind in Besitz von
Wohnungsgenossenschaften und 300.000 in städtischem Besitz. Weitere 75.000
Wohnungen sind sonstige Eigentumsformen, wie z.B. kirchliche Wohnungsunternehmen
oder Gemeinschaftsprojekte. Von diesen Wohnungen sind wiederum ca. 25% als
gemeinwohlorientiert anzusehen. Obwohl alle Eigentümer*innen Artikel 14 des
Grundgesetzes unterliegen, wodurch die Wohnungen “zugleich dem Wohle der
Allgemeinheit dienen”, finden auf dem privaten Wohnungsmarkt in Berlin
beispiellose Spekulationen statt.
70% Gemeinwohlorientiert bis 2050!
Ein Instrument gegen hohe Mieten und Verdrängung, ist den Anteil
gemeinwohlorientierter und kommunaler Wohnungen massiv zu erhöhen. Unser Ziel
ist dabei über 70% des Berliner Wohnungsbestandes bis 2050 gemeinwohlorientiert
sind. Das können Wohnungen in besitz der landeseigenen Wohnungsunternehmen,
Genossenschaften, Syndikate, geschütztes Wohnsegment und vergesellschaftete
Wohnungen sein. Um dies zu bewerkstelligen gibt es verschiedene Ansätze, welche
sinnvoll kombiniert schnelle und effiziente Ergebnisse zur Folge haben können.
Vorkaufsrecht der Bezirke gezielt ausüben und
Abwendungsvereinbarung schärfen!
Viele Bezirke machen bereits von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch. Dadurch können
von den Bezirken vergleichsweise einfach gezielt einzelne Häuser aufgekauft
werden, die sonst gegebenenfalls an private Investor*innen verkauft würden.
Diese Methode ist recht teuer, da sich die Bezirke an den - durch Spekulation in
die Höhe getriebenen - Marktpreisen orientieren müssen. Deswegen fordern wir,
die Kaufpreisberechnung bei der Nutzung des Vorkaufsrechts durch ein Bezirk, zu
verändern. Der Kaufpreis soll sich künftig viel stärker am Verkehrswert des
Grundstücks richten. Spekulativ getriebene Mitnahmeeffekte in der Verkehrs- und
Bodenrichtwertermittlung sollen ausgeschlossen werden. Sollte der Verkaufspreis,
also der Preis, der durch Angebot und Nachfrage auf dem Markt entsteht, um
mehr als 5% vom Verkehrswert, also dem Wert, der auf Grundlage von der Art des
Gebäudes und umliegenden ähnlichen Gebäuden ermittelt wird, abweichen, muss der
Verkaufspreis an den Bezirk entsprechend Gesenkt werden. Der finale
Verkaufspreis darf nicht mehr als 5% über dem Verkehrswert liegen. Da die
Nutzung des Vorkaufsrechts ein sehr direkter Weg ist, Menschen vor der
Verdrängung aus ihren Kiezen zu schützen. Aus diesem Grund fordern wir alle
Berliner Bezirke auf, intensiver von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen und
entsprechende Gebiete als “Milieuschutzgebiete” auszuweisen, um das
Vorkaufsrecht flächendeckend nutzen zu können. Damit die Mieter*innen wissen,
was bei der Nutzung des Vorkaufsrechts durch den Bezirk auf sie zukommt, sollen
diese während des gesamten Prozesses begleitet und transparent informiert
werden.
Außerdem soll eine spezielle Ankaufsagentur gegründet werden, welche zentral die
Käufe der Landeseigenen Wohnungsunternehmen koordinieren und die Bezirke berät.
Für die Bezirke soll auf Bundeseben ein vergleichbares Werkzeug, wie das
Vorkaufsrecht, geschaffen werden, welches sie auch außerhalb von
Milieuschutzgebieten anwenden können um Häuser zu (re)kommunalisieren.
Wird das Vorkaufsrecht über die Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung
abgewendet, sollen Verdrängungseffekte über die Vertragsinhalte wie die
Beschränkung zur Umwandlung, Nutzungsänderung oder Luxusmodernisierung sowie
Kappung der Modernisierungsumlage verhindert werden. Die Grüne Jugend Berlin
fordert die Schärfung der Abwendungsvereinbarung in den Inhalten.
Die größten Spekulant*innen auf dem Wohnungsmarkt enteignen!
Das prominenteste Beispiel zur Erhöhung der kommunalen Wohnungsbestände ist die
Vergesellschaftung von Wohnraum nach Grundgesetz Artikel 15, wie es die
“Initiative Deutsche Wohnen und co. Enteignen” fordert. Wenn die Initiative
Erfolg hat, würden dadurch auf einen Schlag über 240.000 Wohnungen
kommunalisiert werden. Da die Stadt Berlin bei der Umsetzung eines solchen
Gesetzes, die Hauseigentümer*innen “nur” angemessen entschädigen und nicht für
den aktuellen Marktpreis aufkommen muss, würde diese Methode recht preiswert
ausfallen. Deswegen fordern wir den rot-rot-grünen Senat auf, ein solches Gesetz
zu verabschieden und mindestens 240.000 Wohnungen den Spekulationen des Marktes
zu entziehen. Weil durch die Enteignung der Anteil des gemeinwohlorientierten
Wohnungsbestandes sprunghaft steigen würde, wäre das Ziel “Berlin 70%
gemeinwohlorientiert bis 2050” deutlich greifbarer.
Durch mehr Neubau bezahlbare Mieten schaffen!
Im Jahr 2018 haben die landeseigenen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften
ca. 2.000 neue Wohnungen gebaut. In der gleichen Zeit wurde von privaten
Wohnungsunternehmen 10.000 Wohnungen gebaut. Im Verhältnis zu der Zahl ihrer
Wohnungsbestände haben somit die landeseigenen und Genossenschaften etwa genau
so viel, wie die privaten Wohnungsunternehmen gebaut. Jedoch wurde von privaten
Wohnungsunternehmen viel im hohen Preissegment gebaut, da dort deutlich höhere
Gewinne erzielt werden können. Diese Wohnungen sind für viele Berliner*innen
unbezahlbar und tragen nicht zu einer Entspannung des Wohnungsmarktes bei.
Deswegen fordern wir, dass durch eine Neubau-Offensive der Bestand der
landeseigenen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften massiv erhöht wird. Bis
2026 sollen die landeseigenen Wohnungsunternehmen überwiegend im mittleren und
niedrigen Preissegment jährlich 10.000 neue Wohnungen bauen.
Ein zentraler Punkt, an dem Neubau aktuell oft scheitert, ist der Fehlende
Boden. In Zukunft wird der Boden in Berlin noch knapper und wahrscheinlich
teurer, weshalb es Landeseigene Wohnungsunternehmen noch schwerer haben werden,
genügend neu zu bauen. Um den Neubau der landeseigenen Wohnungsunternehmen zu
stärken, müsste Berlin stärker eine vorausschauende Bodenpolitik betreiben: Über
die vorausschauende Bodenbevorratung bzw. dem strategischen Ankauf von
Grundstücken soll bezahlbarer Wohnraum für die Stadt gesichert werden.
Kritisch mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen umgehen!
Zwar unterliegen die landeseigenen Wohnungsunternehmen strengeren Auflagen als
private Akteure auf dem Wohnungsmarkt. Trotzdem gab es im Jahr 2018 mehr als 300
Zwangsräumungen durch landeseigene Unternehmen. Auch gemeinwohlorientierte
Akteur*innen bieten also keinen umfassenden Schutz für Mieter*innen und klagen
zum Teil bis zum letzten Mittel, um diese räumen zu können. Aufgrunddessen
braucht es einen kritischen Umgang mit landeseigenen Wohnungsunternehmen!
Die Landeseigenen transparent und demokratisch machen!
Drei der sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen haben die Rechtsform
“Aktiengesellschaft”. Sie unterliegen daher nicht der Kontrolle des Senats
sondern folgen privatwirtschaftlichen und profitorientierten Interessen. Dies
ist weder transparent, noch demokratisch! Daher fordern wir, alle landeseigenen
Wohnungsunternehmen in sogenannte “Anstalten des öffentlichen Rechts”
umzuwandeln. Dadurch wird gesichert, dass deren Handeln dauerhaft im Sinne der
Allgemeinheit erfolgt und einer demokratisch legitimierten Kontrolle unterliegt,
da sie so der politischen Lenkung des .Berliner Senats unterstehen.
Aktuell ist die Senatsverwaltung für Finanzen (SenFin) die einzige
Gesellschafterin der Landeseigenen Wohnungsunternehmen. Dies gibt dem/der
Finanzsenator*in unberechtigt viel Gestaltungsmacht für die Wohnungen in der
Stadt. Daher fordern wir, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und
Wohnen (SenStadtWohn) sowie die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klima
(SenUVK) neben SenFin gleichberechtigte
Gesellschafterinnen der landeseigenen Wohnungsunternehmen werden. Nur können die
Landeseigenen Wohnungsunternehmen ganzheitlich ihren Auftrag für die Stadt
erfüllen und zur sozialen Stabilität beitragen sowie ihren Beitrag an der
Bekämpfung der Klimakrise leisten.
Eine weitere wichtige Rolle bei den Landeseigenen Wohnungsunternehmen spielen
die Mieter*innen. Diese haben leider aktuell kein bis kaum Mitspracherecht bei
der Planung von Sanierungen oder Neubau. Deswegen fordern wir, dass alle
landeseigenen Wohnungsunternehmen demokratisch gewählte Mieter*innenbeiräte
etablieren und diesen angemessene Kompetenzen geben. Dies beinhaltet, dass sie
frühzeitig und ernsthaft auf Planungen einfluss nehmen können und außerdem in
bestimmten Fällen ein Vetorecht besitzen.
Die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land Berlin und
den landeseigenen Wohnungsunternehmen zukunftsfähig machen!
Die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land Berlin und den landeseigenen
Wohnungsunternehmen soll zur Entspannung des Wohnungsmarktes beitragen, dazu
zählen die Sicherstellung der Wohnraumversorgung für insbesondere
einkommensschwache Haushalte über die Belegungs- und Preisbindungen sowie
weiterführende Kappungen der Mieterhöhung nach Modernisierungen oder auf das
ortsübliche Niveau.
Aufgrund zunehmender Verdrängungsprozesse müssen die Quoten für Mietpreis- und
Belegungsbindungen in den städtischen Wohnungen erhöht werden.
Klimawandelbedingte Folgen wie Hitzeinseln oder zunehmende Luft- und
Lärmbelastungen als Folgen der städtischen Verdichtung beeinträchtigen die
gesunnde Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Um gesunde und lebenswerte Wohnquartiere
zu erhalten und weiterzuentwickeln, sind ökologische Anforderungen an die
Kooperationsvereinbarung sowohl auf den städtischen Bestand als auch an den
Neubau der landeseigenen Wohnungsunternehmen zu stellen.
Zur Evaluierung der Regelungen der Kooperationsvereinbarung sowie des
wohnungspolitischen Ziels der Sicherstellung der Wohnraumversorgung sind die
Wohnbelastungskosten regelmäßig zu erfassen. Verdrängungsprozesse sollen damit
im Vorfeld unterbunden werden.
Begründung
Die Grundlage des Antrags wurde im Rahmen der Wohnenkampagne von verschiedenen Personen erarbeitet.
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